Ernteprognosen für 2023 und Streit um Umsetzung von Getreidedeal im Zentrum

Die Prognosen für die globalen Versorgungsbilanzen aus der kommenden Ernte 2023/24 sehen - umgekehrt zum laufenden Wirtschaftsjahr - die Weizenbestände schwinden und die von Mais anwachsen. Die Sojalager sollen sich ein zweites Jahr in Folge vergrößern.

Sinabell: Ukraine nicht Hauptursache sinkender Preise - Branche sorgt sich um Zukunft

Wien, 26. Mai 2023 (aiz.info). - Die Prognosen für die globalen Versorgungsbilanzen aus der kommenden Ernte 2023/24 sprechen davon, dass umgekehrt zum laufenden Wirtschaftsjahr die Weizenbestände schwinden und die von Mais anwachsen werden sowie die Sojalager ein zweites Jahr in Folge anwachsen werden. In der EU zeichnen sich bessere Weizen-, Mais und Ölsaatenerträge ab. Dies und Beschwerden der Ukraine nur Tage nach der Verlängerung des Getreidedeals für die Schwarzmeer-Korridore, Russland würde dessen Umsetzung sabotieren, beschäftigten die Märkte, zeigten aber an der europäischen Warenterminbörse Euronext in Paris diese Woche nur wenig Reaktionen. In Österreich belebte sich der Brotweizenmarkt leicht, kleine Mengen wurden aber nur am unteren Rand der Preisbänder der Wiener Produktenbörse gehandelt.
 
Die Kurse von Weizen an der Euronext - mit Ausnahme eines kurzzeitigen Aufbäumens - und Mais verliefen im Großen und Ganzen seitwärts, Raps konnte sich etwas erholen. Am Freitagmittag verzeichneten alle drei Pariser Agrarderivate leichte Kursgewinne. An der CBoT in Chicago notierten die Weizen uneinheitlich und sackten die Sojabohnen ab Wochenmitte nach einer Erholung wieder ab.
 
Ukraine beschuldigt Russland der Sabotage von Getreide-Deal
 
Nur wenige Tage nachdem Russland in letzter Minute der Verlängerung des Getreide-Deals um 60 Tage zugestimmt hat beschwerte sich die Ukraine, russische Kontrollbehörden würden die Umsetzung sabotieren. Das Abkommen erlaubt der Ukraine von Vertretern der UNO, Russlands und der Türkei kontrollierte Getreideausfuhren aus den Schwarzmeerhäfen Odessa, Tschornomorsk und Juschny. Nunmehr solle aber die russische Seite eine Ende April ohne Angabe von Gründen begonnene Weigerung von Kontrollen beladener Schiffe im Hafen von Juschny fortsetzen. Laut ukrainischen Angaben sollen dort mehr als 1,5 Mio. t Agrarprodukte für Afrika und Asien verladen werden und 26 Schiffe in türkischen Hoheitsgewässern darauf warten müssen. Juschny ist der Hafen mit dem größten Umschlag. Auch das US-Außenministerium kritisiert einen klaren Verstoß Russlands gegen seine Verpflichtungen: "Russland hält sich nicht an seine Verpflichtungen im Rahmen der Schwarzmeerinitiative."
 
Russland: Export- und Preisdruck - Reform von Exportzöllen in Überlegung
 
Doch sollte auch Russland an einem durchgängigen und nicht von Kriegshandlungen bedrohten Exportweg über das Schwarze Meer Interesse haben. Nach einem zwischenzeitlichen Durchhänger wegen schlechten Wetters am Schwarzen Meer habe Russlands Weizenexport wieder mehr Fahrt aufgenommen und agrarzeitung.de berichtet von weiter sinkenden Preisen. Zudem bahne sich, obwohl der Rekord von 2022 verfehlt werde, neuerlich eine reichliche Weizenernte an. Die Aussaat von Sommerweizen habe sich beschleunigt und die Winterweizen hätten ausreichend Niederschläge. Das russische Marktanalyseinstitut IKAR hob seine Weizenprognose daraufhin um 2 Mio. t auf 86 Mio. t an. Die Preise am russischen Inlandsmarkt stünden, so agrarzeitung.de, aber auch wegen der Ausfuhrbeschränkungen unter Druck- so sei der Preis für Mahlweizen in Zentralrussland über die Woche umgerechnet um weitere 3 Euro auf 126 Euro/t gefallen. Das Landwirtschaftsministerium in Moskau überlegt nun, die Berechnung der Exportzölle durch eine Anhebung des abgabenfreien Anteils am Exportpreis so zu reformieren, dass höhere Erlöse überbleiben. Aktuell kassiere Moskau umgerechnet 51,8 USD (48,25 Euro) pro Tonne exportierten Weizens.
 
Sinabell: Ukraine nicht Hauptursache sinkender Preise - Branche sorgt sich um Zukunft
 
WIFO-Agrarexperte Franz Sinabell sieht laut APA keinen Dämpfer für die Weizenpreise durch Ukraine Exporte. Gute Ernteaussichten seien Ursache für Preisrückgänge, nachdem sich nach kräftigen Preissprüngen beim Ausbruch des Krieges gegen die Ukraine die Kurse zuletzt wieder normalisiert hätten und vor allem die Weizenpreise stark gesunken seien. Sinabell verwies darauf, dass von Jänner bis März die ukrainischen Exporte nach Europa deutlich zurückgegangen seien. Er zeigte aber Verständnis für die zuletzt gewachsenen Sorgen der Bäuerinnen und Bauern: "Es ist klar, dass die Getreidebauern sauer sind, weil die Preise für ihre Produkte deutlich sinken, bei den Kosten dieser Rückgang aber noch nicht da ist." Heuer sei daher mit geringeren Einkommen aus der Getreidewirtschaft als im vorigen Jahr zu rechnen.
 
Der Aufschrei zu den Ukraine-Exporten lasse sich auch so erklären: "Wenn ein bisher nicht beobachtetes Ereignis eintritt, nämlich Über-Land-Lieferungen von Getreide aus der Ukraine, dann neigt man dazu, alle Entwicklungen auf diesen Faktor zu beziehen und darauf zurückzuführen." Für die sinkenden Preise sei das allerdings nicht bestimmend, betont Sinabell. Ebenso könne man nicht von einer "Überschwemmung" des Marktes mit Produkten aus der Ukraine sprechen. Zwar komme das Angebot aus der Ukraine für manche Produzenten, die Ware eingelagert und noch nicht verkauft haben, gewiss einer solchen Situation gleich.
 
"Die Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass große Unsicherheit besteht, das Getreide über die Schwarzmeerroute exportieren zu können. Das Abkommen mit Russland ist befristet und die Verlängerung nicht sicher", so der WIFO-Experte. Daher seien die Transportkapazitäten auf dem Landweg beziehungsweise über die Donau verstärkt worden. "Das führte zu einer Verlagerung der Verkehrswege und zur aktuellen Aufregung. Dieser wird auch Rechnung getragen, indem Schutzklauseln von der EU für die unmittelbaren Nachbarländer der Ukraine vorgesehen und umgesetzt wurden."
 
Heimische Marktteilnehmer äußern mit Blick auf die Situation in die Zukunft nach den kommenden Ernten dennoch Befürchtungen, dass dann - nach einer Erholung etwa der Maisproduktion Ungarns und weiterer Warenströme aus der Ukraine - Druck auf den heimischen Markt entstehen könne, wenn die Kapazitäten für den Transit in Zuschussregionen wie Italien dann knapp würden. Aufgrund einer schwachen Maisernte 2022 in der EU und insbesondere Ungarn, seien Mais und Futtergetreide aus der Ukraine ja durchaus gefragt gewesen. Dies könnte sich aber ändern, wenn beide Regionen in einen Exportwettbewerb über die Preise treten müssten. Dies führe dann dazu, dass sich hierzulande die Basis für Ableitungen von physischen Preisen von der Euronext ins Negative drehe. Gleichzeitig weist man aber auch darauf hin, dass der Verordnungsentwurf für die Verlängerung der Zollfreiheit von Ukraine-Exporten in die EU für den Fall von Marktverwerfungen Klauseln für die Anwendung von Sondermaßnahmen enthalte. Davon müsste dann im Ernstfall auch Gebrauch gemacht werden.
 
Euronext-Weizen in Seitwärtsbewegung - Mais schwächer und Raps fester
 
Vom Freitag voriger Woche bis Donnerstag dieser Woche bewegte sich der Schlusskurs des für die neue Ernte stehenden September-Weizenkontrakts an der Euronext seitwärts von 222,50 Euro/t auf 222,25 Euro/t. Die vermeintliche russische Blockade ukrainischer Exporte, bessere US-Exportdaten und die Rückkehr von Spekulanten an die Terminmärkte auf der Jagd nach Schnäppchen sorgen am Dienstag für einen kurzzeitigen, kräftigen Ausschlag nach oben. Gewinnmitnahmen sorgen aber umgehend wieder für eine Korrektur. An den US-Börsen entwickelten sich die Kurse der verschiedenen Weizenqualitäten unterschiedlich mit den stark differierenden Aufwuchsbedingungen und Bonitierungen. Jedenfalls wurde das seltene Phänomen berichtet, dass Verarbeiter aus den USA 210.00 t Weizen in der EU - dem Vernehmen nach aus Deutschland und Polen - eingekauft hätten.
 
Der Deutsche Raiffeisenverband DRV geht in seiner jüngsten Schätzung von einer Getreideernte der Bundesrepublik von 43,2 Mio. t und einer Rapsernte von 4,3 Mio. t aus. Beide Mengen entsprächen laut DRV dem Vorjahresniveau.
 
Mais zur Lieferung im Juni schwächte sich an der Euronext in einem allgemein wegen der erwarteten Überschusssituation bearishen Umfeld im Wochenabstand leicht von 220,75 Euro/t auf 218,75 Euro/t ab.
 
Raps mit Fälligkeit August - also aus Ernte 2023 - konnte sich trotz der Bärenstimmung bei Ölsaaten von 395,75 Euro/t auf 407,00 Euro/t befestigen. Laut Internationalem Getreiderat IGC werde die EU demnach 2023/24 bei rund 20 Mio. t Rapsernte mit 6,4 Mio. t geringfügig weniger als im laufenden Wirtschaftsjahr mit 6,50 Mio. t importieren müssen. Allerdings nahm der IGC seine Exportprognose zum Vormonat um 300.000 t zurück. 3,0 Mio. t Raps soll die EU aus der Ukraine beziehen, nachdem von dort 2022/23 nur 2,7 Mio. t kommen. Die ukrainische Landwirtschaft soll zur Ernte 2023 massiv von der Getreide- und Maisproduktion auf die Erzeugung der lukrativeren und leichter zu transportierenden Ölsaaten umsteigen.
 
China indes drosselt seine Sojaeinfuhren vom Weltmarkt und steigt auf den zuletzt billiger gewordenen Weizen um. Zudem erwartet es eine große Weizenernte. Starke Konkurrenz mit Preisdruck im Sojaexport durch die Rekordernte Brasiliens, schwache Nachfrage nach dem eigenen Angebot, Verunsicherung von Investoren durch die Schuldenkrise und wenig Risikobereitschaft vor einem langen Feiertags-Wochenende belastete zuletzt die Sojabohnenkurse an der CBoT.
 
Brotweizenmarkt in Österreich hat sich leicht belebt
 
Der Kassamarkt für Brotgetreide in Österreich habe sich leicht belebt und es seien zuletzt doch kleinere Mengen bewegt worden, wobei sich die Preise laut Marktteilnehmern an den unteren Rändern der Preisbänder an der Wiener Produktenbörse orientiert hätten. Dies zeigt sich etwa an der am Mittwoch dieser Woche ermittelten aktuellen Mahlweizennotierung. Diese entspricht mit 205 Euro/t exakt der unteren Notierung der Vorwoche, wobei da das Preisband eine Breite von 23 Euro bis zu 228 Euro/t aufgewiesen hat.
 
Auch Premiumweizen sei gehandelt worden. Mit jedem neuen Regenfall verstärke sich der Eindruck einer großen Ernte mit niedrigen Proteinwerten. So versuchten auf Käuferseite Marktteilnehmer Qualitätsreserven für das kommende Wirtschaftsjahr anzulegen, wobei aber gleichzeitig der Lagerraum knapp sei. Auf Verkäuferseite wiederum würden eine gewisse Nervosität und Abgabebereitschaft zunehmen, weil man hier einen weiteren Preisverfall befürchtet.
 
Für die neue Ernte schließe der Handel mit Landwirten dem Vernehmen nach Kontrakte mit Preisableitungen von den Notierungen an der Euronext ab.
 
Kaum Kaufinteresse herrsche am Maismarkt - im Gegenteil, so heißt es, hätten Verarbeiter Kontrakte über den gesunkenen Bedarf hinaus abgeschlossen und versuchten nunmehr, sich aus deren Erfüllung herauszuwinden. In Ungarn setze die Orban-Regierung auch weiterhin die EU-Verordnung zu Ukraine-Exporten nicht um und blockiere mit Ausnahme von Transit alle Lieferungen - auch die vor dem 2. Mai kontrahierten. (Schluss) pos
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