Getreide: Angst um Eskalation in Ukraine und Abdrücken der Schwarzmeer-Exportader
Ukraine-Export stiftet Unfrieden in EU - Einige Regierungen tanzen Brüssel auf der Nase herum
Wien, 5. Mai 2023 (aiz.info). - Nachdem die Getreidemärkte etwa mit einem 19-Monate-Tief des bald auslaufenden Mai-Weizenkontrakts der Euronext in Paris in den Mai gestartet waren, löste Angst um eine weitere Eskalation des Ukraine-Krieges infolge des von Russland behaupteten Drohnenangriffs auf den Kreml eine Gegenbewegung aus. Zudem drückt Russland immer wieder die wichtigste Exportader der Ukraine über das Schwarze Meer ab, sodass dort der Marktdruck steigt und sich in konzentrischen Kreisen über die alternativen Landwege entlang der Solidaritätskorridore in die EU hinein ausbreitet. Dies stiftet Unfrieden und trägt Spaltung in die Unterstützungsfront der Ukraine hinein. Um einer von den östlichen EU-Mitgliedstaaten ausgehenden Ausbreitung von Marktverwerfungen auf weitere Mitgliedsaaten zu begegnen, fordern - auch mit Blick auf die kommende, möglicherweise üppige Ernte 2023 - Landwirtschaftskammer, Bauernbund und Agrarhandel ein unionsweites Vorgehen etwa auf Basis von Schutzklauseln. Denn auch der heimische Kassamarkt leidet unter einem Verfall der Preise und Einbruch der Nachfrage.
Auf Vermittlung von UNO und der Türkei finden sich am Freitag dieser Woche Vertreter Russlands und der Ukraine in Istanbul zu Gesprächen über die Verlängerung des nach russischer Lesart am 18. Mai auslaufenden Getreidedeals zum Exportkorridor über das Schwarze Meer ein. Doch mehrten sich zuletzt Beschwerden der ukrainischen Seite, Russland würde durch die Verzögerung der Inspektion von Schiffen oder schikanöse Kontrollen Exporte über das Schwarze Meer de facto abwürgen. Gebetsmühlenartig wiederholte Drohungen Russlands, sich einer Verlängerung des Getreidedeals über Mitte Mai hinaus querzulegen, weil seine eigenen Getreide- und Düngerexporte indirekt durch die Sanktionen des Westens behindert würden, werden hingegen von den Märkten immer weiter beiseitegeschoben. Zudem wirken verbesserte Aussichten für die nahenden Ernten der Nordhalbkugel preisdämpfend.
Ukraine-Export stiftet Unfrieden in EU - Einige Regierungen tanzen Brüssel auf der Nase herum
In der EU, so verlautet aus Branchenkreisen, hapere es an der Umsetzung der diese Woche bekanntgegebenen Verordnung zur temporären Beschränkung ukrainischer Agrarexporte in benachbarte EU-Staaten. Obwohl die Europäische Kommission die Gewährung eines weiteren 100 Mio. Euro schweren Hilfspakets an diese Staaten davon abhängig macht, dass Polen, Ungarn, Bulgarien, Rumänien und die Slowakei ihre nationalen Handelsbeschränkungen zugunsten der unionsweiten Lösung aufgeben, tanzen einige von ihnen nach wie vor Brüssel auf der Nase herum.
Polen soll die EU-Bestimmung zum Transit ukrainischen Getreides über seine Seehäfen so interpretieren, dass es nur die direkte Verladung von Eisenbahnwagon oder LKW auf das Schiff toleriert, nicht aber die Zwischenlagerung in Hafensilos. In der Praxis ist eine Schiffbeladung technisch aber nur über Silos möglich, sodass Polen den Getreidetransit de facto unterläuft. Gerüchteweise überlege Polen darüber hinaus sogar, die Einfuhr von Getreide aus dem EU-Binnenmarkt nur mehr für den Transit zu gestatten.
Ungarn wiederum soll die Umsetzung der Verordnung zur zeitweiligen Beschränkung gewisser Ukraine-Exporte verweigern und stoppt weiterhin alle Einfuhren. Es gibt an, die EU-Regelung gelte für Kontrakte, die nach dem 2. Mai abgeschlossen werden, diese könnten aber leicht vordatiert werden.
Die Slowakei verbietet die Inverkehrbringung jeglichen ukrainischen Weizens auf ihrem Staatgebiet, weil in einer Lieferung von 1.500 t an eine slowakische Mühle Rückstände unerlaubter Pflanzenschutzmittel gefunden worden wäre und dies ein Referenzlabor in Dänemark bestätigt habe. Tschechiens Landwirtschaftsminister Zdenek Nekula meinte dementgegen dieser Tage, praktisch lückenlose Kontrollen von Lieferungen aus der Ukraine auf mehr als 400 Stoffe hätten in seinem Land keinerlei Hinweise auf derartige Rückstände erbracht.
Wie weit dreht Russland die Preisspirale an den Exportmärkten nach unten?
Indes fragt man sich auf den Märkten, wie weit Russland mit seiner Schleuderei die Preisspirale auf den Exportmärkten noch nach unten drehen kann, ehe Produktion und Vermarktung für alle Beteiligten - auch beim Mitbewerb - so unwirtschaftlich werden, dass sie den Betrieb einstellen. Es gebe bereits Hinweise, dass sich das russische Exporttempo verlangsame. Hinzu kommt die Pikanterie, dass der russische Staat mit der Einhebung von Exportsteuern auf Getreide nach wie vor an den ohnehin mageren Exporterlösen mitschneidet und seine Kriegskassa nährt. So drückte zuletzt die bis 2. Mai geltende Exportsteuer von umgerechnet knapp 63 Euro auf die Tonne Weizen den bei den Exporteuren verbleibenden Verkaufserlös für einen Brotweizen mit 12,5% Protein auf umgerechnet nurmehr gut 170 Euro/t. Dabei würden, so Marktteilnehmer, aktuelle Kurse zwischen 235 und 240 Euro/t für Mahlweizen alter und neuer Ernte an der Euronext schon bald nicht mehr ermöglichen, aktuelle Preise für physische Ware in unseren Breiten durch Hedging abzusichern.
Vom Freitag voriger Woche bis Donnerstag dieser Woche bewegte sich der Schlusskurs des Mai-Weizenkontrakts an der Euronext mit einem zwischenzeitlichen Tief zu Wochenbeginn von 238,50 Euro/t auf 237,25 Euro/t. Der für die neue Ernte stehende und zurzeit am meisten gehandelte September-Weizenfuture beendete den Donnerstag bei 239,75 Euro/t. Mais zur Lieferung im Juni entwickelte sich im Wochenabstand von 233,50 Euro/t zu 229,25 Euro/t und Raps mit Fälligkeit August - also aus Ernte 2023 - von 432,25 auf 438,00 Euro/t.
Weiter nur Handel von Kleinstmengen an österreichischem Kassamarkt
Keine Änderungen am österreichischen Kassamarkt: Weiter sinkende internationale Notierungen und Preise sowie ein reichliches regionales Angebot lassen die Käufer nach wie vor zurücklehnen. Umsätze mit Brot- und Futtergetreide sowie Mais würden sich weiterhin nur auf Kleinstmengen zur Deckung von Restbedarf beschränken. Damit kamen am Mittwoch dieser Woche an der Wiener Produktenbörse keine Notierungen von Brotgetreide oder Mais zustande.
Ebenso blieb der Ölsaatenmarkt ohne Bewegung, wobei regionale Verarbeiter die Quotierungen ungeachtet internationaler Entwicklungen niedriger als in der Woche zuvor ansetzten. Es notierten in Wien auch keine Sojaschrote.
Zur Entwicklung der Bestände der herannahenden Ernte 2023 heißt es, nach den jüngsten ausgiebigen Niederschlägen im April könnte nunmehr sogar eine Rekordernte heraufdämmern. Damit und mit Marktverwerfungen infolge der neuen EU- Transitregelungen für ukrainische Getreidelieferungen befürchtet der Getreidehandel massive Verwerfungen. Das Bundesgremium des Agrarhandels forderte daraufhin dieser Tage in einem Brief an Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig Sondermaßnahmen auf EU-Ebene zur Stabilisierung der Märkte. Ausdrücklich aber erklärt der Agrarhandel seine Unterstützung für Maßnahmen zugunsten der Ukraine im russischen Angriffskrieg wie die Solidaritätskorridore für eine alternative Vermarktung von Agrarprodukten auf dem Landweg. Auch der Bauernbund sprach sich für Maßnahmen der EU aus. (Schluss) pos
Auf Vermittlung von UNO und der Türkei finden sich am Freitag dieser Woche Vertreter Russlands und der Ukraine in Istanbul zu Gesprächen über die Verlängerung des nach russischer Lesart am 18. Mai auslaufenden Getreidedeals zum Exportkorridor über das Schwarze Meer ein. Doch mehrten sich zuletzt Beschwerden der ukrainischen Seite, Russland würde durch die Verzögerung der Inspektion von Schiffen oder schikanöse Kontrollen Exporte über das Schwarze Meer de facto abwürgen. Gebetsmühlenartig wiederholte Drohungen Russlands, sich einer Verlängerung des Getreidedeals über Mitte Mai hinaus querzulegen, weil seine eigenen Getreide- und Düngerexporte indirekt durch die Sanktionen des Westens behindert würden, werden hingegen von den Märkten immer weiter beiseitegeschoben. Zudem wirken verbesserte Aussichten für die nahenden Ernten der Nordhalbkugel preisdämpfend.
Ukraine-Export stiftet Unfrieden in EU - Einige Regierungen tanzen Brüssel auf der Nase herum
In der EU, so verlautet aus Branchenkreisen, hapere es an der Umsetzung der diese Woche bekanntgegebenen Verordnung zur temporären Beschränkung ukrainischer Agrarexporte in benachbarte EU-Staaten. Obwohl die Europäische Kommission die Gewährung eines weiteren 100 Mio. Euro schweren Hilfspakets an diese Staaten davon abhängig macht, dass Polen, Ungarn, Bulgarien, Rumänien und die Slowakei ihre nationalen Handelsbeschränkungen zugunsten der unionsweiten Lösung aufgeben, tanzen einige von ihnen nach wie vor Brüssel auf der Nase herum.
Polen soll die EU-Bestimmung zum Transit ukrainischen Getreides über seine Seehäfen so interpretieren, dass es nur die direkte Verladung von Eisenbahnwagon oder LKW auf das Schiff toleriert, nicht aber die Zwischenlagerung in Hafensilos. In der Praxis ist eine Schiffbeladung technisch aber nur über Silos möglich, sodass Polen den Getreidetransit de facto unterläuft. Gerüchteweise überlege Polen darüber hinaus sogar, die Einfuhr von Getreide aus dem EU-Binnenmarkt nur mehr für den Transit zu gestatten.
Ungarn wiederum soll die Umsetzung der Verordnung zur zeitweiligen Beschränkung gewisser Ukraine-Exporte verweigern und stoppt weiterhin alle Einfuhren. Es gibt an, die EU-Regelung gelte für Kontrakte, die nach dem 2. Mai abgeschlossen werden, diese könnten aber leicht vordatiert werden.
Die Slowakei verbietet die Inverkehrbringung jeglichen ukrainischen Weizens auf ihrem Staatgebiet, weil in einer Lieferung von 1.500 t an eine slowakische Mühle Rückstände unerlaubter Pflanzenschutzmittel gefunden worden wäre und dies ein Referenzlabor in Dänemark bestätigt habe. Tschechiens Landwirtschaftsminister Zdenek Nekula meinte dementgegen dieser Tage, praktisch lückenlose Kontrollen von Lieferungen aus der Ukraine auf mehr als 400 Stoffe hätten in seinem Land keinerlei Hinweise auf derartige Rückstände erbracht.
Wie weit dreht Russland die Preisspirale an den Exportmärkten nach unten?
Indes fragt man sich auf den Märkten, wie weit Russland mit seiner Schleuderei die Preisspirale auf den Exportmärkten noch nach unten drehen kann, ehe Produktion und Vermarktung für alle Beteiligten - auch beim Mitbewerb - so unwirtschaftlich werden, dass sie den Betrieb einstellen. Es gebe bereits Hinweise, dass sich das russische Exporttempo verlangsame. Hinzu kommt die Pikanterie, dass der russische Staat mit der Einhebung von Exportsteuern auf Getreide nach wie vor an den ohnehin mageren Exporterlösen mitschneidet und seine Kriegskassa nährt. So drückte zuletzt die bis 2. Mai geltende Exportsteuer von umgerechnet knapp 63 Euro auf die Tonne Weizen den bei den Exporteuren verbleibenden Verkaufserlös für einen Brotweizen mit 12,5% Protein auf umgerechnet nurmehr gut 170 Euro/t. Dabei würden, so Marktteilnehmer, aktuelle Kurse zwischen 235 und 240 Euro/t für Mahlweizen alter und neuer Ernte an der Euronext schon bald nicht mehr ermöglichen, aktuelle Preise für physische Ware in unseren Breiten durch Hedging abzusichern.
Vom Freitag voriger Woche bis Donnerstag dieser Woche bewegte sich der Schlusskurs des Mai-Weizenkontrakts an der Euronext mit einem zwischenzeitlichen Tief zu Wochenbeginn von 238,50 Euro/t auf 237,25 Euro/t. Der für die neue Ernte stehende und zurzeit am meisten gehandelte September-Weizenfuture beendete den Donnerstag bei 239,75 Euro/t. Mais zur Lieferung im Juni entwickelte sich im Wochenabstand von 233,50 Euro/t zu 229,25 Euro/t und Raps mit Fälligkeit August - also aus Ernte 2023 - von 432,25 auf 438,00 Euro/t.
Weiter nur Handel von Kleinstmengen an österreichischem Kassamarkt
Keine Änderungen am österreichischen Kassamarkt: Weiter sinkende internationale Notierungen und Preise sowie ein reichliches regionales Angebot lassen die Käufer nach wie vor zurücklehnen. Umsätze mit Brot- und Futtergetreide sowie Mais würden sich weiterhin nur auf Kleinstmengen zur Deckung von Restbedarf beschränken. Damit kamen am Mittwoch dieser Woche an der Wiener Produktenbörse keine Notierungen von Brotgetreide oder Mais zustande.
Ebenso blieb der Ölsaatenmarkt ohne Bewegung, wobei regionale Verarbeiter die Quotierungen ungeachtet internationaler Entwicklungen niedriger als in der Woche zuvor ansetzten. Es notierten in Wien auch keine Sojaschrote.
Zur Entwicklung der Bestände der herannahenden Ernte 2023 heißt es, nach den jüngsten ausgiebigen Niederschlägen im April könnte nunmehr sogar eine Rekordernte heraufdämmern. Damit und mit Marktverwerfungen infolge der neuen EU- Transitregelungen für ukrainische Getreidelieferungen befürchtet der Getreidehandel massive Verwerfungen. Das Bundesgremium des Agrarhandels forderte daraufhin dieser Tage in einem Brief an Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig Sondermaßnahmen auf EU-Ebene zur Stabilisierung der Märkte. Ausdrücklich aber erklärt der Agrarhandel seine Unterstützung für Maßnahmen zugunsten der Ukraine im russischen Angriffskrieg wie die Solidaritätskorridore für eine alternative Vermarktung von Agrarprodukten auf dem Landweg. Auch der Bauernbund sprach sich für Maßnahmen der EU aus. (Schluss) pos
Links
- Börse für landwirtschaftliche Produkte in Wien
- Bauernbund und Agrarhandel fordern Maßnahmen für Getreidemarkt
- Ukraine begrüßt Einigung zu Getreideimporten
- "Commodity Markets Outlook": Weltbank sieht besondere Bedeutung von Nahrung
- Getreidemärkte international und hierzulande finden zurzeit keinen Halt